Die Souveränität der Bäume

Wer kann sich der Magie der Herbsttage entziehen. Vor allem an den Tagen, wenn die Natur durch die Sonne golden erstrahlt, sich wie in einer Fantasiewelt verwandelt. Als begeisterter Wanderer und Hobbyfotograf habe ich mich auch dieses Jahr an einem goldenen Herbsttag der faszinierenden Natur ausgesetzt. Am Luitpoldhain in Nürnberg gibt es viele großgewachsene Eichen, die in dieser Jahreszeit ihre Pracht und Schönheit besonders zeigen. Die Sonne verbreitete eine wohlfühlende Atmosphäre und eine leichte Brise wehte durch die Äste, so dass die Räume durch goldenen Schnee gefüllt waren. Grün und gelb und golden vermischte Teppiche breiteten sich vor meinen Füßen aus.
Solche Szenarien kennt jeder. Und jeder liebt sie, die goldenen Herbsttage. Interessant irgendwie, denn, wenn man genauer beobachtet ist die prachtvolle goldene Zeit der Bäume im Herbst eine Zeit des Loslassens, des Abschieds oder gar des Verlustes? Ein Jahr lang haben die Bäume ihre Blätter von der Knospe bis zu ihrer Reife genährt und als wertvolle Schmuckstücke getragen. Und nun, am Höhepunkt ihrer Entwicklung lassen sie sie fallen. Mich fasziniert dieser Vorgang jedes Jahr von Neuen und ich bin beeindruckt von der Souveränität der Bäume.
Nein, weder Verlust noch dramatischer Abschied passiert hier, sondern vielmehr ein bewusstes Loslassen in der Weitsicht des Lebens und der kommenden Zeiten. Wären die Bäume Menschen, dann würde ich sie als Weise bezeichnen, die vieles erlebt und ein inneres Wissen besitzen. Sie wissen, dass das Fallen der Blätter nicht Verlust und Tod von sich selbst bedeuten. Tief verwurzelt in dem Boden mit einem robusten Stamm und gesunden Ästen lassen sie eine goldene Zeit vergehen um neue Blätter, neues Wachstum, neue Formen, ja eine neue goldene Zeit entstehen zu lassen, immer genährt und getragen vom selben Stamm. Beeindruckend souverän, die Bäume in Herbst.
Diese Souveränität wünsche ich auch unserer Kirche in Zeiten von Veränderung. Einen weiten Blick wünsche ich ihr, dass das Loslassen von über die Zeit gewachsenen Formen und Strukturen nicht den Verlust ihres Kernes bedeutet. Dass ihr Kern, wenn er verankert ist in Gott, immer wieder neue Formen, neue Schätze und goldene Zeiten hervor bringen kann, zum Lob ihres Schöpfers.