Kein Dach mehr, aber echter Sternenhimmel

Sechs junge Leute haben vor kurzem in den Diözesen Würzburg und Eichstätt sowie im Erzbistum Bamberg ihre Ausbildung zur Pastoralreferentin, zum Pastoralreferenten angetreten. Als sogenannte Pastoralassistenten sind Elisabeth Baumann (22), Josefine Hillenbrand (33) und Kevin Krämer (26, alle Würzburg), Christoph Schneider (33), Samuel Schrollinger (26, beide Eichstätt) sowie Rafael Derfuß (23, Bamberg) nach dem Theologiestudium in den kommenden drei Jahren in der seelsorgerischen Arbeit in Pfarreien tätig.
Die Ausbildung der künftigen Pastoralreferenten, an deren Ende die zweite Dienstprüfung steht, wird bereits seit längerer Zeit bistumsübergreifend organisiert. Neben der praktischen Arbeit vor Ort stehen weitere Kurse und Seminartage zu bestimmten Themen auf dem Programm. Zum Auftakt der dreijährigen Praxisphase trafen sich die angehenden Seelsorger mit den Ausbildern Maria Lechner (Eichstätt), Markus Fastenmeier (Würzburg) und Valentin Weller (Bamberg) zu einer mehrtägigen Einführung im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus.
Alle sechs Pastoralassistenten sind seit ihrer Kindheit und Jugend katholisch geprägt: „Ganz klassisch“ sei ihr Weg gewesen, berichtet etwa Elisabeth Baumann aus Hofheim in Unterfranken, sie war Ministrantin, Gruppenleiterin, hat Erstkommunionunterricht erteilt. Schon als Jugendliche erwuchs der Wunsch, Theologie zu studieren, das Ehrenamt zum Beruf zu machen. Auch Kevin Krämer ist in Würzburg-Kist „sehr katholisch aufgewachsen“, durch Eltern und Großeltern in die Gemeinde hineingenommen worden.
Alle waren Ministranten
Christoph Schneider aus Rupertsbuch bei Eichstätt berichtet ebenfalls von positiven Erfahrungen mit Glaube und Kirche. Er sei „klassisch katholisch sozialisiert“, war zum Beispiel Ministrant und gehörte dem Pfarrgemeinderat an. Samuel Schrollinger aus Nürnberg-Langwasser war in seiner Gemeinde nicht nur Oberministrant und Pfarrjugendleiter, sondern zudem schon früh im Kirchenchor tätig, lernte Orgel und spielte das Instrument auch im Gottesdienst. Fast alle der jungen Leute berichten von Persönlichkeiten, die sie auf ihrem Weg geprägt haben: Geistliche, Pastoralreferentinnen, Religionslehrer, „die uns Kindern den Glauben auf faszinierende Weise nähergebracht haben“, so Rafael Derfuß.
Derfuß, aufgewachsen im katholischen Hetzles in der Fränkischen Schweiz, wo man „automatisch“ in der Pfarrgemeinde aktiv geworden sei, hat nun als Pastoralassistent in Nürnberg-Laufamholz begonnen – wo er kirchlich und gesellschaftlich eine ganz andere Situation vorfindet. Er erwartet sich von der Ausbildung vor Ort ein „gutes Rüstzeug“ und Ideen, um zeigen zu können, „wie wir eine zeitgemäße Kirche sein können“. Josefine Hillenbrand, die die nächsten drei Jahre in Zellingen am Main verbringt, freut sich darauf, „Kirche mitgestalten zu können“. Sie hofft, von der Vielfalt in ihrer Pfarrei profitieren zu können, „in der man sich ausprobieren kann.
„Ich kann viel in der Praxis lernen“, fügt Elisabeth Baumann hinzu, die in Niederwerrn bei Schweinfurt tätig sein wird. Die Ausbildung biete ihr „Handwerkszeug“ in vielen Feldern, „um nicht ganz unvorbereitet rauszugehen“. Die Einsatzgebiete der Pastoralassistenten sind teils ländlich geprägt, teils städtisch: So wird Samuel Schrollinger wie Derfuß in Nürnberg tätig, während Christoph Schneider in Ingolstadt den besonderen Charakter einer Großstadtpfarrei kennenlernen wird. Er erwartet sich eine „umfangreiche und facettenreiche Ausbildung“, er wird unter anderem auch Religionsunterricht in der Schule geben.
Dass die Kirche in keiner einfachen Situation ist, ist den jungen Theologen wohl bewusst. Kevin Krämer – Einsatzort: Heustreu bei Bad Neustadt an der Saale – sagt mit Blick auf die negativen Schlagzeilen, das Bild der Kirche sei „ganz von den Menschen vor Ort abhängig“. Als Pastoralassistent sei er in der schönen Situation, „Menschen neu begeistern zu können“. Als „Herausforderung und Möglichkeit“ bezeichnet Josefine Hillenbrand die Situation der Kirche, die sich der Kritik stellen müsse. Jede und jeder könne dazu beitragen, das kirchliche Leben mitzugestalten. Samuel Schrollinger spricht von einer „kritischen Situation“ und einer Vertrauenskrise. Er sieht aber die Chance, den Menschen das Gefühl zu geben, „dass Kirche ein Raum ist, an dem man sich wohlfühlen kann, ein Ort, der relevant für mein Leben ist“.
Elisabeth Baumann hört aus vielen Gesprächen heraus, „dass viele Menschen enttäuscht sind“. Vielen sei der Glaube weiterhin wichtig, doch die Kirche verliere an Bedeutung. „Ich wünsche mir, dass sie wieder ein Ort wird, wo sich alle Menschen respektiert und willkommen fühlen.“ Auch Rafael Derfuß will nicht einstimmen in das negative Sprechen über Kirche. Diese lasse sich „neu denken und leben“, auch von unten, betont der 23-Jährige. Er verwendet ein eindrückliches Bild: „Wenn durch einen Sturm mal das Dach weggeflogen ist, sieht man wieder den wirklichen Sternenhimmel, nicht den gemalten.“ Will heißen: Der Abschied von Illusionen eröffnet den Blick auf die Wirklichkeit.
Artikel von Bernd Buchner, erschienen im Heinrichsblatt Nr. 38 - 18.09.2022