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Rundbrief Unio Apostolica

Datum:
Veröffentlicht: 27.10.17
Von:
HA PP
Liebe Mitbrüder, da nicht alle von Ihnen/Euch am jüngsten Ottotag teilnehmen konnten und da es viele positive Rückmeldungen gab, lasse ich unser diesjähriges Priestertreffen mit diesem Rundbrief nachklingen. Als Referent war Professor Dr. Hans-Georg Gradl eingeladen, der an der Theologischen Fakultät Trier die neutestamentliche Exegese vertritt. Bei seinen Gedanken zum diakonischen und priesterlichen Dienst heute, die er für den Ottotag mitgebracht hatte, ließ er sich von „neutestamentlichen Wegweisern“ leiten.

 

Rundbrief November 2017

für die Priestergemeinschaft der Unio Apostolica im Erzbistum Bamberg

von DK Hans Schieber

Liebe Mitbrüder,

da nicht alle von Ihnen/Euch am jüngsten Ottotag teilnehmen konnten und da es viele positive Rückmeldungen gab, lasse ich unser diesjähriges Priestertreffen mit diesem Rundbrief nachklingen. Als Referent war Professor Dr. Hans-Georg Gradl eingeladen, der an der Theologischen Fakultät Trier die neutestamentliche Exegese vertritt. Bei seinen Gedanken zum diakonischen und priesterlichen Dienst heute, die er für den Ottotag mitgebracht hatte, ließ er sich von „neutestamentlichen Wegweisern“ leiten.

Im ersten von drei Schritten ging Prof. Gradl auf unser Profil und Selbstverständnis ein. Von Paulus, aber auch von den Evangelien her erschloss er: Dem Jünger ist immer die Rolle des Mitarbeiters zugewiesen. Der Jünger ist Herr der Saat, nicht aber der Ernte. „So sehr wir auch gern Erfolg sehen und Resultate zählen möchten, Wachstum und Ernte sind Sache des großen Gärtners Gott.“ Dem entspricht das Prinzip „Schüler sein und bleiben“. Jede Diakonen- oder Priesterweihe habe mehr von einem Anfang als von einem Abschluss, mehr von Aufbruch als von Ankommen. Der Jünger bleibe auf Lebenszeit in der Gefolgschaft des Meisters.

Deshalb gelte es, die Gnade großzuschreiben, so wie Paulus sich sagen ließ: „Meine Gnade genügt dir“. Ziemlich deutlich schließlich Prof. Gradls Hinweis: „Der Diakon oder Priester, der vom barmherzigen Gott spricht, aber sich selbst allzeit perfekt gibt, der verkündet in Wahrheit keinen barmherzigen, sondern einen gnadenlosen, einen rich-tenden und strafenden Gott.“

Im zweiten Schritt wurden Dienst und Praxis reflektiert. Unter Hinweis auf die Bedeutung von Personen, Namen und Biographien stellte der Referent klar: Das Lebenszeugnis zählt. Paulus werfe seine gesamte Existenz in die Waagschale, um seine Verkündigung zu beglaubigen. Es sei die Chance und Größe, aber auch die Herausforderung des geistlichen Amts, nie nur an Worten, sondern immer auch an Taten gemessen zu wer-den. Die Verkündigung des Evangeliums geschehe primär durch das Leben. Dabei komme es auf Kommunikation und Verständlichkeit an. Wie Jesus die Reich-Gottes-Botschaft in der Lebenswelt seiner Zuhörer verankert, so habe unsere Verkündigung verständlich, anschaulich und ansprechend zu sein.

Mehr noch: Unser Platz ist dort, wo die Menschen sind. In deren Lebenswelt hinein müssen wir aufbrechen. „Jesus ist Zeit seines Lebens auf Wanderschaft und so mit der Lebenswelt der Menschen vertraut. Paulus durchquert mehrfach die damals bekannte Welt. Die frühen Christen haben sich – trotz aller Anfeindungen – nicht für den Rückzug entschieden, sondern für den Aufbruch und die Reise, die Begegnung und das Kennen-lernen.“ Auch die Liturgie sei kein abgeschiedenes kultisches Geschehen. „Die Liturgie feiert, was das Leben prägt; in die Liturgie fließt ein, was das Leben ist.“ Liturgie und Diakonie sind die Kehrseiten einer Medaille.

Der dritte Schritt des Vortrags galt der Frage Gemeinde und Seelsorge. Hier hieß der Rat: Attraktivitätsfaktoren beachten! Schon in der Zeit der römischen Christenverfolgung sei die soziale und menschenfreundliche Art der Christen aufgefallen und z. B. von Kaiser Julian als verführerisch und gefährlich eingestuft worden. Prof. Gradl zählte anhand von Beispielen auf, wodurch Christen sich heute attraktiv zeigen könnten: sozial-diakonische Ausrichtung, Raum für Beheimatung in pluraler, zerfasernder Gesellschaft, Achtung von Würde und Ansehen jedes Menschen, Sorge um Sterbende, Gebet für die Toten, begeisternde Persönlichkeiten, Inkulturationsfähigkeit, Raum für Mystik, aber auch für intellektuelle Begegnung, Faszination an Jesus usw.

In diesem Zusammenhang erinnerte der Referent an die Bedeutung von Charismen, von Ekklesiogenese statt Egozentrik und von infrastruktureller Klugheit. Zum Letztgenannten verwies er auf Paulus, der sich bewusst für infrastrukturell günstig gelegene Orte entschied und dort Gemeinden gründete. Diese konnten – wie Keimzellen – Strahl-kraft entwickeln und Ableger bilden. Neben Orten seien aber auch Situationen wie z. B. Lebenswenden oder Grenzerfahrungen entscheidend. Wo muss ein Seelsorger präsent sein? Wo kann Glaubensweitergabe gut angekoppelt werden? Gleichsam als Antwort folgte ein Plädoyer des Referenten für kleine Räume. „Das Christentum des Anfangs ist kleinzellig und bodenverhaftet. Christen kommen in Hauskirchen zusammen. Der Glaube ist mitten im Leben präsent und verwurzelt. Das frühe Christentum stellt insofern eine durchaus kritische Anfrage an die Großregionen und Pfarrverbände: Wie kann ‚die Kirche im Dorf‘ bleiben? Gemeinde sollte kein Service sein, den man sich irgendwo abholt. Gemeinde ist eine Welt, in der man lebt.“

Wie andere Mitbrüder, so empfand auch ich diesen Ottotag als höchst anregend. Da kommen einem allerlei Fragen. Schaffe ich es, mein Leben lang Mitarbeiter, Schüler, auf dem Weg zu sein, statt mich als tonangebend, als fertig, als Herr zu verstehen? Wie steht es mit meinem Lebenszeugnis, das viel wichtiger wäre als jede Wortverkündigung? Was ist mein originärer Beitrag zur „Attraktivität“ des Christentums? Was ist mein Auftrag im derzeitigen Strukturprozess; was will ich pastoral-inhaltlich einbringen? Wie kann es gelingen und was kann ich dafür tun, dass Kirche tatsächlich im Dorf bleibt?

Ein gutes Weiterdenken und gesegnete Schlusswochen dieses Kirchenjahrs wünscht

Ihr/Euer Mitbruder Hans Schieber